Meine teuerste Schwester
Ihr Brief, meine teuerste Schwester, hat die Ruhe meiner Seele vollends wiederhergestellt,
welche gestört gewesen ist, wegen meiner Besorgnis um Ihre kostbare Gesundheit. Ich
gestehe Ihnen, dass ich aus allen Wolken gefallen bin, eine Krone von Lorbeer aus
Ihren Händen zu empfangen. Wenn es etwas gäbe, das in der Lage wäre, mein armseliges
Gehirn zu verblüffen, so wären es die zuvorkommenden Dinge gewesen, die Sie dem hinzufügen.
Aber ich habe recht schnell zu meiner Natur zurückgefunden, und bedacht, dass der
Schatten Vergils alt genug ist, um unsinniges Zeug daherzureden, und dass man in der
französischen Küche die Schinken ehrt, indem man Ihnen Lorbeer verleiht wie den Helden.
Nur das Übermaß an Nachsicht, welches Sie für mich zu haben geruhen, konnte Sie derart
für mich einnehmen. Aber, meine teure Schwester, wenn ich in mich gehe, finde ich
dabei nur ein armes Individuum, zusammengesetzt aus einer Mischung aus Gut und Schlecht,
oft sehr unzufrieden mit sich selbst, und es würde sehr wünschen, mehr Wert zu haben
als es hat; gemacht, um als Privatmensch zu leben, verpflichtet, zu repräsentieren,
Philosoph aus Neigung, Politiker aus Pflicht, jemand, der gezwungen ist, alles zu
sein, was es nicht ist, und der kein anderes Verdienst hat, als eine gewissenhafte
Verbundenheit für seine Pflichten. Voilà, meine teure Schwester, eine Generalbeichte,
nach welcher ich auf ihre Absolution hoffe. Der Herzog von Nivernais kommt heute hierher;
wenn ich den freundlichen Mann genießen könnte, wäre ich darüber entzückt; aber bisher
habe ich nur den Botschafter gesehen.
Ich begnüge mich damit, Sie von ganzem Herzen zu umarmen und Ihnen meine vollkommene
Zuneigung zu versichern, mit der ich bis zum letzten Atemzug meines Lebens bin, meine
teuerste Schwester, […].)