[…] Man zieht hier ohne Unterlass in den Krieg gegen meine Geistesabwesenheiten; meine Empfindungen sind so gut bekannt, dass man mir immer vorwirft, in Potsdam zu sein. Es gilt als sicher, dass Prinz Edward incognito hier gewesen und dass er genauso wieder abgereist ist. Charles Edward Stuart hielt sich 1754 vor allem in Paris auf, im Jahr 1755 hielt er sich vorwiegend in Basel auf. {Cfr.: (#93) Pittock, 2004.} Man glaubt, dass er [hier ]die Zeit verbracht hat, zu der man nichts von seinem Wohnsitz in England wusste, und dass er dorthin zurückkehrt. Ich habe gestern alle Welt verrückt gesehen, es war Fastnachtsdienstag. Man kann sich all die Tollheiten, welche gemacht worden sind nicht vorstellen. Die Straßen waren voller Masken; man schrie, man tanzte, man machte ein Gepolter, das trotzdem unterhaltsam war. Voltaire hat seinen Aufenthalt in Genf beendet und sich in die Gegend von Veau [Vaud, heute: Waad ]zurückgezogen. La Condamine ist nach Italien abgereist. La Condamine begleitete die Prinzen Corsini von Marseille nach Genua und konnte mit ihren Feluken von Antibes nach Genua übersetzen. Sie luden ihn außerdem in ihren florentinischen Palast ein, {siehe: (#76) La Condamine 1762: 339, 348 und (#233) Toniolo, 2013.} La Condamine hatte sich in Avignon aufgehalten, um eine neue Ausgabe seines «Mémoire sur l’inoculation de la petite vérole» über die Impfung vorzubereiten. Diese Ausgabe widmete er der Markgräfin. {Siehe: (#230) Marcil, 2018: 3} Die Uneinigkeiten zwischen den Bischöfen und dem Parlament dauern immer noch an. Der Bischof von Mirepoix wusste nicht, wie er sich aus der Affäre ziehen sollte und hatte daher Rücksprache mit dem Kardinal Tencin gehalten. Aber man bezweifelt stark, dass der sich in diese Angelegenheit einmischen wird, höchstens, um zu versuchen, die Gemüter zu besänftigen. Nach allem Anschein wird der Bischof von Mirepoix in Ungnade fallen. Alle Welt hasst ihn. Man hat mir ein Bonmot des Gesandten von Spanien erzählt. Er bat Mirepoix um eine Pfründe für einen Bischof, wobei er ihm begreiflich machte, dass die Person von Interesse für seinen Herrn, den König war. Mirepoix antwortete ihm, es sei beschämend für die Geistlichen, dass sie niemals zufrieden wären. Dass der Geist des Evangeliums die Armut und die Verachtung der Ehren und Reichtümer predigte, und dass dennoch die Mönche unersättlich danach gierten. Dass es jenem Bischof nicht zustände, sich zu beklagen, da er ein einfacher Mönch gewesen war und zu einem der großen geistlichen Würdenträger emporgekommen sei. Der Botschafter antwortete ihm: „Memento homo“. Spruch aus der katholischen Liturgie bei der Spendung des Aschenkreuzes zu Aschermittwoch: „Memento homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris“, [dt.: „Erinnere dich Mensch, dass du aus Staub bist, und zu Staub zurückkehren wirst.“]. [CW] Mirepoix war derartig durcheinander, dass er die Pfründe gewährte. Man glaubt, dass der Herzog von Noragaï Hofmeister des kleinen Herzogs von Bourgogne [Burgund ]werden wird und Monsieur de Calvière sein Unterhofmeister. Charles-François de Calvière (1693–1777) war bereits Page unter König Ludwig XIV. (1638–1715) wie auch für dessen Enkel Ludwig XV. Die Gebrüder Edmond und Jules de Goncourt haben 1880 erstmals einen Abschnitt aus einem Manuskript Calvieres über die Kindheit Ludwigs XV. am Hofe Frankreichs in ihrem Buch «Portraits intimes du dix-huitième siècle. Etudes nouvelles d'après les lettres autographes et les documents inédits» veröffentlicht. {Cfr.: (#100) Goncourt, 1880: 3–35.} Er könnte kaum in bessere Hände fallen. Letzterer ist als ein Mensch von Verdiensten bekannt, voller Empfindungen, Begabungen und Wissen. Er war Page bei Louis XIV., wovon er mir viele Anekdoten erzählt hat, und er ist immer bei Louis XV. gewesen, dem er in dessen Jugend die Zeit vertrieben hat. Die kleine Madame, Tochter des Dauphins, hat dieselbe Krankheit wie jene Frau, die in Paris gestorben ist. Ihre Knochen biegen sich. Man glaubt, dass man sie durchbringen wird, wiewohl sie in einem bedauernswerten Zustand ist. Ich empfehle mich weiterhin Ihrem wertgeschätzten Angedenken und bin mit aller vorstellbaren Hochachtung und Zuneigung,