Meine teuerste Schwester.
[… ]Der Tisch, den Ihr die Güte habt mir zu schicken, ist noch nicht angekommen. Ich hätte
            Ihnen natürlich gedankt. Wahrscheinlich verzögern die schlechten Wege[ seine Ankunft]. Hier ersteht man von den Toten auf. So wie Madame de Montbail, die von einem bösartigen
            Fieber durch die Kraft ihrer Veranlagung gesundet ohne Heilmittel genommen zu haben.
            Ihre Jungfräulichkeit wird das Paradies ganz muffig erreichen. Ich danke Ihnen vielmals,
            dass Sie die Güte gehabt haben, mir den Plan von Herculaneum zuzuschicken. Ich sehe
            wohl, dass unsere Einbildungskraft uns immer über die Wahrheit hinausträgt. Ich hatte
            mir diese Stadt sehr viel größer und schöner vorgestellt, und ich glaube, dass die
            Bilder, die man dort gefunden hat, nichts Besonderes sind. Wir leben immer in der
            Vergangenheit oder in der Zukunft, und unser Geist vermag nicht, die Gegenwart zu
            genießen. Der Name der Römer berauscht uns und macht uns ehrfürchtig. Wir reden uns
            ein, dass das zukünftige Geschlecht glücklicher sein wird als das gegenwärtige. Ich
            mag lieber den natürlichen und bürgerlichen gesunden Menschenverstand, der glaubt,
            dass der Herr Pfarrer seiner Gemeinde beredter ist als Cicero, dass seine Frau mehr
            Liebreiz hat als die schöne Helena, dass seine Stadt schöner ist als Paris, und dass
            die Gemüse, die seine Köchin ihm zubereitet, einen feineren Geschmack haben als alle
            ausgesuchten Leckerbissen Martials Martial greift in seinen Epigrammen über das Alltagsleben der Römer des Öfteren auf
                  satirische Art die Genusssucht der römischen Bürger auf. {Vgl.: (#264) Martial, 1823:
                  Buch II, 40 [Tongilium], wo ein gewisser Tongilius eine Krankheit vortäuscht, um sich
                  die feinsten Leckerbissen bringen zu lassen. Das Epigramm schließt mit dem Vers „o stulti, febrem creditis esse?
                  Gula est.“} [CW/Möw] und des Herzogs von Nevers. Sollten Sie mich in diesem Brief zu ernst finden, so
            rechne ich damit im nächsten heiterer zu sein. Der kleine Tomasin wird kommen und
            er wird alle Geister auf einen Komödienton erheben.
Ich bin mit viel liebevoller Zuneigung und Wertschätzung,