Briefwechsel der Wilhelmine von Bayreuth
Franziska Windt
Einleitung
Am 10. Oktober 1754 brach die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth zu einer Reise nach Frankreich auf. Zusammen mit ihrem Gemahl, Markgraf Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth, sowie mit zahlreichen Begleitern wie beispielsweise ihren Hofdamen, Kavalieren, ihrem Leibarzt, und einem Architekten.
Das Fürstenpaar reiste inkognito unter dem Titel eines Grafen und einer Gräfin von Zollern, um die Reise nicht zu teuer werden zu lassen, denn ohne inkognito hätten die Gastgeber ihren Besuch wie einen Staatsbesuch behandeln müssen und der hätte für das Markgrafenpaar entsprechende sodann aber ungewollte Verpflichtungen mit sich gebracht.
Ziel war zunächst Montpellier, wo Wilhelmine, die schon länger an den verschiedensten Krankheiten litt, sich bekömmliches Klima und gute ärztliche Betreuung erhoffte. Der Weg führte sie über Ansbach, Stuttgart und Karlsruhe nach Straßburg. Schon dort (19.10.) wurde der Reisegesellschaft klar, dass in Montpellier von November bis Januar die Ständeversammlung der Provinz Langedoc tagen würde und deshalb keine Unterkünfte zu finden wären. Man musste also den Plan ändern und beschloss, über mehrere Stationen nach Avignon zu reisen. Die Fahrt ging über Dijon, Chalon-sur-Sȃone und Mȃcon nach Lyon, wo das Paar fast zwanzig Tage verbrachte. Nachdem eine Unterkunft gefunden war, reiste die Gesellschaft weiter nach Avignon, um dort ab 27. November Winterquartier zu nehmen.
Der Winter 1754/1755 war in Europa außergewöhnlich kalt, so dass Wilhelmine nicht, wie erhofft, in den Genuss eines milderen Klimas kam. Im März bedauert sie in einem Brief (vom 18.03.1755 aus Avignon), dass sie den Winter nicht in Italien verbracht habe, aber erst im April und nachdem ihr Bruder, der preußische König Friedrich II., dies genehmigt hatte, konnte das Paar die Fahrt in Richtung Italien fortsetzen. In Monaco bestieg man ein Schiff nach San Remo (mit einer kurzen Unterbrechung wegen starken Wellengangs in Bordighera, Italien), von dort ein weiteres nach Genua. Die Reise ging weiter über Lerici nach Pisa, Florenz und schließlich nach Rom. Nach neun Tagen reisten sie im Mai in Richtung Neapel und Umgebung.
Auf der Rückreise blieb man noch einmal 24 Tage im Juni in Rom. Die Heimfahrt nach Deutschland erfolgte über verschiedene Stationen auf der Via Flaminia an die Adriaküste nach Ancona, weiter nach Rimini, Bologna und Ferrara bis nach Venedig, wo das Markgrafenpaar noch einmal vier Tage verbrachte. Von dort aus reisten sie nach Padua, Vicenza, Verona, und schließlich auf getrennten Wegen über die Alpen. Am 11. August 1755 kam Wilhelmine wieder in Erlangen an.
Die Reiseroute lässt sich aus den Briefen, dem von Wilhelmine verfassten Tagebuch {(#60) Tagebuch, 2002} und anderen zeitgenössischen Quellen wie z. B. Zeitungsartikeln rekonstruieren. Aus diesen Quellen erfährt man vor allem, welche Sehenswürdigkeiten Wilhelmine gesehen hat und wem sie an den verschiedenen Stationen begegnete. Diesen beiden Aspekten kommen, neben Berichten über ihre Gesundheit, in den Briefen besondere Bedeutung zu. Die meisten Briefe gehen an ihren Bruder Friedrich II. Ihm berichtet sie nicht nur als Bruder und Vertrautem, sondern auch als Familienoberhaupt, dem sie Rechenschaft schuldet. So schreibt sie von ihren Kontakten zu politisch wichtigen Personen. In Frankreich gehörten die Intendanten, Richter, Militärs, Kirchenvertreter und lokalen Adelige dazu, in Italien z. B. die Vertreter des Papstes, wie etwa die Kardinäle Valenti Gonzaga, Albani und Mellini, dann Gesandte anderer Staaten oder Vertreter von Adelsfamilien. Ein wichtiger, sich immer wiederholender Aspekt bei der Beschreibung der Begegnungen ist, auf welche Weise das Paar empfangen wurde, und ob man sie eher ihrem Inkognito gemäß als Graf und Gräfin von Zollern oder sie als Schwester des preußischen Königs betrachtete und entsprechend würdigte. Auch erwähnt sie Veranstaltungen wie Feste, große Essen, die ihr zu Ehren gegeben wurden, Konzerte und Oper- oder Theateraufführungen, Beerdigungen oder Prozessionen. Besonders hebt Wilhelmine Treffen mit Klerikern, Gelehrten, Literaten, Künstlern sowie mit Musikern hervor, von denen sie weiß, dass ihr Bruder daran interessiert ist. Immer wieder versucht sie sich als Vermittlerin von Kunstwerken, antiken Spolien und Marmore für die Projekte, von denen Friedrich ihr berichtet, z. B. für die Ausstattung seiner neuen Bildergalerie im Garten von Sanssouci.
Von den Sehenswürdigkeiten, die Wilhelmine besucht, wecken die antiken Überreste ihr besonderes Interesse. Von Gemälden und Skulpturen dagegen berichtet sie weniger, eher kursorisch. Dazu sagen andere Quellen von der Reise mehr aus. Fast nie beschreibt sie ihre Unterkünfte oder das Essen. Auch Schilderungen der Natur bilden die Ausnahme. Sie finden sich am ehesten in den wenigen Briefen an ihren Bruder August Wilhelm.
Der besondere Reiz der Briefe liegt neben ihrem rein sachlich-informativen Wert auch darin, dass sie viel über die Schreibenden und ihre Beziehungen untereinander aussagen. Sehr deutlich und kontinuierlich fordert Friedrich II. beispielsweise Berichte zu Wilhelmines Gesundheitszustand ein. Neben seiner Sorge um ihr physisches Wohl, die sich darin ausdrückt, erinnert er seine Schwester damit auch immer wieder daran, dass er die Wiederherstellung ihrer Gesundheit als Hauptzweck ihrer Reise ansieht. Mit dieser Begründung für die Reise wehrt er auch Einwände Dritter gegen sie ab, beispielsweise vom Ansbacher Hof, der der Markgräfin Geldverschwendung vorwirft {(#287) Politische Correspondenz, 1879-1939,Bd. 10, Nr. 6478}, den Gerüchten, die behaupten der Markgraf und die Markgräfin wollten zum katholischen Glauben konvertieren, oder den Vorstellungen seiner Schwester und Königin von Schweden, Luise Ulrike, Wilhelmine könne in politischer Mission für sie in Frankreich tätig werden {(#287) Politische Correspondenz, 1879-1939 Bd. 10, Nr. 6535}.
Auf Wilhelmines gelegentlich geäußerte Begeisterung, besonders für das Gesehene in Italien, antwortet Friedrich II. dagegen häufig mit relativierenden Betrachtungen oder schulmeisterlichen Belehrungen.
Die schriftliche Konversation beider ist geprägt von häufigen Anspielungen, die z.T. offenbar sehr persönlicher Natur sind, und sich z.T. auch auf literarische Werke beziehen, die beiden bekannt waren.
Nicht sehr umfangreich ist der Schriftverkehr Wilhelmines mit anderen Familienmitgliedern. Meist beschränkt er sich auf eine kurze Zusammenfassung der Reise nach ihrer Rückkehr.
Ihrem Bruder August Wilhelm schreibt sie nach ihrer Rückkehr zusammenfassend, Florenz, Rom und Pozzuoli seien die Reise und alle Mühen wert gewesen und sie würde sofort dorthin zurückkehren, wenn sie könnte, während ihr andere Städte, und besonders Venedig mit seinem „gotischen Stil“ und dem dortigen Gestank gar nicht gefallen habe.
Diese digitale Ausgabe, die zumeist die Digitalisate der Briefe zur Verfügung stellt, eine Transkription der Briefstellen, die sich auf die Reise beziehen, deren Übersetzung mit Anmerkungen und umfangreiche Indices, bietet die Möglichkeit zu weiteren Analysen und Ansätzen für neuen Forschung verschiedenster Fachgebiete. Geplant ist, sie um weitere Quellen zu der Reise zu erweitern.