Perspectivia

([o. O., o. J. ][vermutlich: Berlin, 1. März 1755]

Ich bin sehr erleichtert, mein teurer Schwager, dass Sie sich vergnügen. Ich wage es nicht, auf ein vergleichbares Wohlsein zu hoffen. Meine Reisen sind festgelegt: Spandau, Oranienburg und Berlin – sind die Städte, welche ich bis auf den Grund kennen werde, und kaum andere. Wenn ich daran denke, ist meine Laune düster. Aber was kann man Besseres machen, als sich in alles Unabänderliche zu fügen und überzeugt zu sein, dass nichts und niemand seinem Schicksal entgehen kann; von daher ist man als Sklave geboren. Man muss es bleiben, da man kein Mittel hat, die Freiheit zu gewinnen.
Wir haben eine schreckliche Kälte gehabt, während Sie den Schatten der Wirtshäuser in der Provence suchten. Unser Karneval Fastnacht datierte auf den 11. Februar 1755. ist beendet, worüber ich sehr erleichtert bin. Wir haben weder wahres Vergnügen gehabt, noch Tumulte; auf diese Art bin ich damit zufrieden.
Die Leute, die Ihr kennengelernt habt, müssen aus gutem Hause stammen, wenn sie keine gute Gesellschaft sind, denn ihre Namen sind wie aus der Geschichte.
Der Vize-Gesandte Passionei wurde im Haus des verstorbenen Prinzen Eugen sehr gut aufgenommen. Paolo Passionei di Fossombrone war 1743 bis 1754 Inquisitor in Malta, bevor er 1754 zum Vize-Gesandten des Kirchenstaates in Avignon wurde. Wilhelm verwechselt ihn offenbar mit dessen gelehrten und sehr bekannten Onkel, Kardinal Domenico Silvio Passionei (1682–1761), der zwischen 1730 bis 1738 Nuntius in Wien war und 1755 als auswärtiges Mitglied in die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde. Er muss viele kuriose Anekdoten über diesen großartigen Mann kennen und vielleicht werden Sie ihn ertragen, wenn er sie erzählt.
Ich hoffe, dass die warmen Witterungen die Gesundheit meiner Schwester bestärken werden. Ich bitte Sie, sie täglich des aufrichtigen Anteils zu versichern, den ich daran nehme.
Ihr Diener

Wilhelm.)