Meine teuerste Schwester.
Ich habe soeben Ihren Brief empfangen, datiert in Avignon, den 28. Februar[ 1755], und ich danke Ihnen, meine teure Schwester, für den Brief aus Herculaneum, den Sie
die Güte hatten, mir zu übermitteln. Ich bin weit entfernt davon, Ihnen aus diesem
Lande ebenso erzählenswerte Neuigkeiten geben zu können wie jene, die Sie die Güte
haben, mir mitzuteilen. Die große Neuigkeit aus Potsdam ist die Wunde, die der Marquis
d’Argens sich am Finger zufügte, als er in eine Kutsche einstieg. Er trägt deswegen
den Arm in einer Schlinge, wie der verstorbene Saint-Hippolyte, dessen Sie sich vielleicht
erinnern werden. Voilà, meine teure Schwester, die Zeitung aus Potsdam. Jene aus Berlin
kündigt die Oper „Ezio“ an, zum Geburtstag unserer teuren Mutter. Aber die Feiertage
haben sie das Abhalten ihres Festes bis auf den ersten April [1755 ]aufschieben lassen. Darüber hinaus fragen Sie mich nichts anderes, meine teure Schwester,
als [nach ]dem Extrakt meiner Lektüren und nach einiger armseliger Musik, die ich mache. Ich
bin allein mit d’Argens, der die meiste Zeit in seinem Bett sein Lager aufgeschlagen
hat. Und Algarotti hat sich still und leise aus dem Staub gemacht. Maupertuis ist
krank und Voltaire ist in der Schweiz mit Mandrin. Dies beschränkt mich mehr als je
zuvor auf mich selbst. Ich umarme Sie tausendmal, mein Herz begleitet Sie überall.
Und ich schätze mich nur glücklich, wenn ich das Glück habe, Sie persönlich von der
unendlichen Zuneigung zu überzeugen, mit welcher ich bin,