Perspectivia

(Potsdam, den 28. Juni 1755

Meine teuerste Schwester.
Ich habe das Vergnügen gehabt, einen Brief von Ihnen zu empfangen, datiert aus Rom. Ich bin entzückt, zu vernehmen, dass Ihre Gesundheit hinreichend gut ist, um den Anstrengungen einer langen und beschwerlichen Reise zu genügen. Ich war überzeugt, dass Ihnen die Altertümer Roms Vergnügen bereiten würden. Diese Denkmäler der Bezwinger der Welt scheinen uns ihre Zeit näher zu bringen. Es scheint sogar, dass man an ihrem Ruhm und an ihren Empfindungen teilhat, wenn man sich an den Orten befindet, die sie bewohnt haben, und wo sie so große Dinge vollbracht haben. Das christliche Rom schafft Ihnen Beweise dessen, welchen Einfluss der Aberglaube auf das Denken des Volkes hat. Die Basilika von San Pietro wurde aus Ablässen errichtet. Der Großteil der Paläste der Kardinalnepoten wurde aus den Tributen erbaut, die das unwissende Europa dem obersten Kirchenfürsten zahlte. Würden Frankreich, Deutschland, würden Spanien, England, Polen die Vermögen zurückfordern, die ihre Vorfahren dort hinunter geschickt haben, und die der Pracht dieser Hauptstadt der Christenheit dienen, glauben Sie mir, meine teure Schwester, dass der Heilige Vater und das „Sacro Collegio“ Kardinalskollegium. Es sorgt u. a. für die Papstwahl. nur die Ruinen des „Campo Vaccino“ Bis ins 18. Jahrhundert Bezeichnung für den östlich gelegenen Teil des antiken Forum Roman um auf dem Kühe weideten („Campo Vaccino“). bewohnen würden und Kirchen mit Stroh bedeckt wären, und da eine Drehleier und vielleicht eine schlechte Posaune die einzigen Instrumente wären, die an den Festtagen widerhallten. Ich danke Ihnen für die Marmore und die schönen Dinge, auf die Sie mich dort unten hinweisen. Die Schwierigkeit ist, einen Unterhändler mit hellem Kopf zu finden, der nicht zum Opfer des italienischen Scharfsinnswürde. Was die Marmore anbelangt, so ist es der Krieg der Barbaresken, der den Transport sehr schwierig und kostspielig macht. Man zahlt das Doppelte als normalerweise. Wenn ich mir Marmor von dort unten wünschen könnte, so wäre es nicht Porphyr, es wäre „Gialloantico“ Fachbegriff: Kalksteinbrekzien. Wurde seit dem 1. Jh. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. im heutigen Tunesien gewonnen. oder gelber Marmor aus Capua, der beinahe ebenso schön ist. Den gelben Marmor wünscht der König sich für die Innenausstattung der ab Januar 1755 errichteten Bildergalerie im Park von Sanssouci. Schon seit 1753 hatte Friedrich II. mit Francesco Algarotti (1712–1764) über die Beschaffung von antikem Marmor korrespondiert. Er wünschte sich Marmor aus Herculaneum, was sich jedoch als nicht realisierbar erwies. Erst 1757 gelangten 27 Kisten mit „Giallo antico“ von Livorno aus nach Hamburg, um dann nach Potsdam geliefert zu werden. Mit diesem Marmor wurden Wandfelder der Bildergalerie ausgekleidet. {Siehe dazu: (#228) Sommer, 1996: 45–60, hier: 49–52.} Der Porphyr ist zu hart, um ihn zu bearbeiten, und bekommt keinen schönen Glanz. Was die Gemälde betrifft, so verkaufen die Italiener so viele Nachahmungen, dass man getäuscht wird, wenn man kein sehr guter Kenner ist. Wenn dies nicht wäre, hätte ich schon lange den Auftrag gegeben, mir für meine Galerie Guidos, Tizians und Solimenas kommen zu lassen. Aber die Furcht betrogen zu werden, hat mich bisher zurückgehalten. Der König kümmerte sich seit 1754 intensiv um Gemäldeankäufe für die von ihm geplante Bildergalerie. Über den Kunsthändler Louis-François Mettra erwarb er auf Auktionen in Paris, beispielsweise der Auktion der Sammlung Louis-François Pasquier im März 1755, Gemälde die Veronese und Tintoretto zugeschrieben wurden. Für diese Auktionen, auf denen der König auch weiterhin über Mettra Gemälde ersteigerte, gab es gedruckte Kataloge, über die Friedrich II. sich informieren konnte. {Siehe dazu: (#229) Vogtherr, 2015: 241–256.} Die Herkunft der Gemälde aus anerkannten Sammlungen bot ihm eine größere Sicherheit, als es direkte Käufe in Italien hätten bieten können. Seine Käufe aus Italien wickelte er über Zwischenhändler wie den Berliner Geschäftsmann u. Kunsthändler Johann Ernst Gotzkowsky (1710–1775) ab. {Cfr.: (#206) Schepkowski, 2009.}
Ich bin in Holland gewesen, wo ich nur Tand gesehen habe. Ich habe mich als Musiker des Königs von Polen ausgegeben, und ich blieb während meiner ganzen Reise unerkannt. Es sind mir recht vergnügliche Abenteuer zugestoßen, die ich mir zu Ihrer Belustigung aufhebe, wenn ich das Glück habe, Sie zum ersten Mal wiedersehe. Ich bete, dass dies bald sein möge, Sie, meine teure Schwester, versichernd, dass man nicht mit vollkommenerer Zuneigung sein kann als ich bin,

meine teuerste Schwester,
Ihr getreuester Bruder und Diener

Friedrich.)