Meine teuerste Schwester.
Gestatten Sie, dass ich Ihnen im Voraus zu Ihrem Geburtstag Glück wünsche. Zu diesem
Tag, der mir zu einer so liebenswürdigen und teuren Schwester verholfen hat. Ich glaube,
dass Sie ihn in Rom feiern werden. Ich bin sehr glücklich gewesen, zwei Briefe von
Ihnen auf einmal zu empfangen. Ich muss Ihnen im Voraus danken, meine teure Schwester,
für das antike Gemälde, das Sie so gütig sind, mir zuzuschicken. Ich gestehe Ihnen,
dass ich gerne einige [Gemälde ]großer italienischer Meister kaufen würde. Aber die Italiener sind so gewandt im Betrügen
und sie haben England mit sovielen Fälschungen überschwemmt, dass man zu viel aufs
Spiel setzt bei dieser Art von Handel, wenn dies nicht von sehr geschickten Malern
übernommen wird. Und wie soll man diese Maler dorthin schicken? Es wird unvorstellbar
teuer. Was die Marmore anbelangt, die man in so großer Menge in Rom hat, so kann man
viel müheloser welche über das Meer kommen lassen. Und das wäre vielleicht eine Sache,
an die ich denken werde, wenn ich Geld übrighabe. Sie werden nunmehr in der Kenntnis
des alten und des modernen Italiens so gebildet sein, dass Sie als Fremdenführer Der italienische Begriff "Cicerone" für Fremdenführer bezieht sich vermutlich auf
den röm. Politiker Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. – 43 v. Chr.), der als großer
und vorbildlicher Rhetoriker gilt und dessen sprichwörtliche Eloquenz, die sich u.a.
in seinen Beschreibungen Griechenlands und Kleinasiens niederschlägt. Der gebildete,
redegewandte, Cicerone begleitet die Fremden durch die Stadt und erklärt Geschichte
und Sehenswürdigkeiten. [CW] So verwendet auch der französische Philologe, Antikenkenner
und Enzyklopädist Charles de Brosses (1709–1777) den Begriff in seinen Reiseberichten
aus Italien in dieser Tradition. {Cfr.: (#244) Brosses, 1836, Bd. 1: 262, 265, Bd.
2: 70.} {Siehe auch: (#200) Brief vom 20. August 1755.} durchgehen könnten. Ich glaube, dass Sie den Papst hätten sehen können ohne den feierlichen
Akt der Beugung des Knies. Doch da man Sie dazu verpflichten wollte, gestehe ich Ihnen,
dass ich sehr erleichtert bin, dass Sie es nicht getan haben. Das wird alle üblen
Gerüchte zerstreuen, die man in Deutschland in Umlauf gesetzt hat. Ich bin erstaunt,
dass die Damen Roms darauf verfallen, sich wie Zierpuppen zu gebärden, und ihre üble
Nachrede auf Ihre Kosten zu entfalten. Aber ich glaube, dass ihr vergebliches Lärmen
Ihnen kaum zu schaffen macht.
Ich fürchte nur, dass wenn Sie sich zurück in Bayreuth befinden, es Ihnen bei sich
missfallen könnte, und dass die Erinnerung an alle großen und prächtigen Dinge, die
Sie gesehen haben, Ihnen ihre friedliche Bleibe verleidet. Meine teure Schwester,
ich bitte Sie um Verzeihung für meine Befürchtungen. Und ich hoffe, dass Ihr weises
Gemüt sich in diesem Punkt beherrschen wird, wie über soviele andere Sachen. Ich bitte
Sie, mich mit der allervollkommensten Zuneigung zu glauben,