Perspectivia

([o. O. ][Potsdam ]den[ 22.][?][ März 1754]

Meine teuerste Schwester
[… ]Ich war erstaunt, dass Sie über den Bericht aus Neapel so ins Detail gegangen sind. Ich wage jedoch anzunehmen, dass der Franzose, der ihn verfasst hat, die Sache ein wenig übertrieben hat. Was mich daran zweifeln lässt, ist, dass er die Neapolitaner mit den Holländern vergleicht. Niemals hat es unterschiedlichere Völker gegeben. Von allen italienischen Völkerschaften gelten die von Neapel als diejenigen mit der lebhaftesten Einbildungskraft und gleichzeitig als die mit dem allerunruhigsten Geist. Welche Ähnlichkeit hat diese Wesensart mit der Stumpfheit und mit dem langsamen Verstand der Bürger von Amsterdam? Ich glaube, dass da irgendein Unzufriedener, der am Hofe von Don Carlos keinen Erfolg hatte, aus Rache dafür sein Gift und seine Galle über das ganze Königreich ausspeit. [… ]Ich umarme Sie tausendmal, meine teure und entzückende Schwester, und versichere Sie mit Körper und Seele (wenn ich eine solche habe) der allerzärtlichsten Verbundenheit,

Ihres treuesten Bruders und Dieners

Friedrich.)