Meine teuerste Schwester.
[… ]Das Erdbeben, von dem Sie sprechen, war in meinem Land, entlang der Küste, wirklich
spürbar; in Stettin schwoll die Oder innerhalb von vier Minuten an und stieg um zwölf
Fuß an; sie überschwemmte die ganze Vorstadt, aber sie dauerte nur einen Augenblick.
In Templin stieg der See auf; er überschwemmte plötzlich eines seiner Ufer und zwang
die Fischer, die auf ihm waren, zu fliehen. In Friesland geschah das Gleiche an den
Ufern der Maas und des Meeres; in Holland, Irland das Gleiche, mit verheerenderen
Folgen für die Einwohner. Für mich, der ich kein großer Naturwissenschaftler bin,
der sich aber sein eigenes naturwissenschaftliches System geschaffen hat, wie Buffon
sich seines gemacht hat, schreibe all diese Phänomene dem Prinzip zu, von dem ich
ausgehe: Ich glaube, dass es im Zentrum der Erde ein elementares Feuer gibt, das von
verschiedenen Ursachen getrieben, sich unterirdische Kanäle bildet, die zur Erdoberfläche
führen, und dass dieses Feuer, das in eine heftigere Bewegung versetzt wurde, unter
dem Meer Verzweigungen gebildet hat, von denen eine in der Tat an den Küsten Irlands
ausgebrochen ist; der große Herd, lag genau unter Lissabon. Die schwefelhaltige und
salpeterhaltige Materie im Boden dieses Landes hat diesem Feuer mehr Nahrung gegeben,
das folglich an dieser Stelle die Wirkung einer Mine entfaltete, die in die Luft geht.
Ich gebe Ihnen meine Überlegung als das, wozu sie taugt, nämlich als Vermutung. Mein
Vorurteil lässt mich vielleicht ein Grad stärker daran glauben, als es anderen einleuchten
wird, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass es sich so verhält. Und schließlich,
wenn ich mich in dieser Sache irre, dann tröstet mich, dass ich nicht der Einzige
bin, und dass die meisten, die auf Abwege geraten, dies tun, um Haarspalterei zu betreiben,
stattdessen ist das, was ich sage plausibel und einfach. Aber, meine liebe Schwester,
es ist Sache der Naturwissenschaftler, die Sie in Bayreuth haben, darüber zu entscheiden;
für mich, der ich dazu bestimmt bin, den Betrug der Menschen aufzuklären, ich könnte
mich leicht über die geheimen Ursachen irren, die die Natur vor uns verbirgt und die
ein Rätsel für das gemeine Volk, und manchmal auch für die Wissenschaftler selbst
sind.
Ich bin verzweifelt, dass Sie sich meinetwegen von den Sammlungen trennen, die Sie
in Italien angelegt haben. Das Interesse, das ich am Neuen Jerusalem habe, wird mich
mit Sorge die Gunst in Besitz nehmen lassen, die ich durch ihre Freundschaft erhalten
soll. Meine Galerie bedarf nur, meine teure Schwester, Ihres Portraits, um sie zu
heiligen. Und möge es der Königin des Himmels und ihrer ganzen Familie Diese Anspielung auf eine Darstellung der Maria mit ihrer Familie könnte sich auf
das Steinschneidebild aus Florenz beziehen, welches Wilhelmine ihrem Bruder geschickt
hat. {Siehe: (#232) Brief vom 6. Dezember 1755.} nicht missfallen: Es gibt keines, das Ihnen gleichkommt. Sie werden mir sagen, dass
es man nicht viel weiter ist, wenn man nicht an diese Leute da glaubt, und dass es
nur hieße, Euer Portrait dem Portrait derjenigen vorzuziehen, die Frau eines jüdischen
Zimmermanns – oder vielleicht Schlimmeres – war. Aber dieses Portrait ist von großen
Meistern gemacht worden und die Geschicklichkeit ihrer Pinsel wird ihren Motiven nicht
mehr Wert verleihen, als Ihr Portrait besitzt, das ich für eine Kopie von Pesne halte.
Die Nachricht, die ich Ihnen von hier geben kann ist, dass ich die Tragödie »Merope«
verdorben habe, indem ich eine Oper Die von Carl Heinrich Graun (1704–1759) vertonte Oper wurde im März 1756 in Berlin
aufgeführt. Die Textgrundlage bildete Voltaires Tragödie «Mérope», die der italienische
Librettist Gianpietro Tagliazucchi (1714/16–1768), offenbar mit Friedrichs II. Beitrag,
zu einem Libretto verarbeitete. daraus gemacht habe, dass ich am Sonntag nach Berlin fahre, was mich wütend macht,
und dass ich Stunden und Momente bis zu meiner Rückkehr zählen werde; dass der Winter
spürbar wird, dass die Straßen schlecht sind, dass die Ankunft von Fremden uns den
Karneval ankündigt, und dass ich schließlich, wie ich es immer war, mit der vollkommensten
Zuneigung,